Die Abstände im Baurecht werden in der italienischen Rechtsordnung durch Art. 873, 874, 875 und 877 des ital. Zivilgesetzbuchs geregelt. Diese sorgen für mehr Klarheit bei einem Thema, zu dem sich die tatrichterliche und höchstrichterliche Rechtsprechung ausreichend geäußert hat.

Trotz des komplexen Sachverhalts soll im Weiteren eine Zusammenfassung gegeben werden.

Mindestabstände im Bauwesen

Gemäß Artikel 873 ital. ZGB gilt Folgendes: „Bauten auf aneinander grenzenden Grundstücken müssen, wenn sie nicht eine Einheit bilden oder Anbauten sind, in einem Abstand von nicht weniger als drei Metern gehalten werden.In den örtlichen Verordnungen kann ein größerer Abstand festgesetzt werden“.

Mit anderen Worten: Werden Gebäude nicht an die Grenze angebaut, müssen sie den vorgeschriebenen Abstand von drei Metern zueinander einhalten. Gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde mit Urteil Nr. 10318/2016 festgesetzt, dass der Grundsatz des zeitlichen Zuvorkommens für jenen gilt, der zuerst baut, und zwar auch dann, wenn gemäß dem örtlichen Bauleitplan das angrenzende Bauen nicht erlaubt ist oder kein Mindestabstand vorgesehen ist.

Wer zuerst baut, erlegt demjenigen, der später baut, den einzuhaltenden Abstand auf. Ersterer kann sich somit für angrenzendes Bauen, Anbauen oder für die Einhaltung des baurechtlich vorgesehenen Mindestabstandes entscheiden. Gemäß den baurechtlichen Bestimmungen kann - wie bereits vorweggenommen - auch ein größerer Abstand als vom Gesetzgeber festgelegt vorsehen, was übrigens häufig der Fall ist.

Mindestabstände für Wände mit Fensteröffnungen

Etwas anders gehandhabt werden hingegen die Abstände zwischen gegenüberstehenden Gebäuden, die mindestens eine Wand mit Fensteröffnungen aufweisen.In diesem Fall ist gemäß Artikel 9 des Ministerialdekrets 1444/1968 ein Mindestabstand von 10 Metern vorgesehen.

Auch in diesem Fall muss einiges beachtet werden. So hat der Staatsrat mit Urteil Nr. 5830/2021 beispielsweise festgesetzt, dass obiger Abstand von 10 m für Neubauten gilt, allerdings nicht für Altstädte, weshalb er somit nur für "sonstige Zonen" gilt.

Örtliche Regelungen und gesamtstaatliche Rechtsvorschriften Vorrang

In der Rechtsprechung herrscht die Auffassung vor, dass die in den gesamtstaatlichen Gesetzen festgelegten Abstände Vorrang vor den örtlichen Regelungen haben. Gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde dem Ministerialdekret 1444/1968, das durch Art. 41-quinquies des Gesetzes 1150/1942 erlassen wurde, seit langem die Wirksamkeit eines staatlichen Gesetzes zuerkannt. Folglich haben dessen Rechtsvorschriften Vorrang vor nachfolgenden gemeindeeigenen Bauvorschriften und jedwede Regelung, die den Rechtsvorschriften des Dekrets widerspricht, ist rechtswidrig.

Abweichungen durch Übereinkünfte

In zahlreichen jüngsten Urteilen wurde hinsichtlich dieser Auslegung bestätigt, dass von den Abstandsregelungen zwischen Bauwerken oder zwischen Bauwerken und angrenzenden Grundstücken, die in Bauleitplänen und/oder Bauvorschriften der Gemeinde vorgesehen sind, nicht abgewichen werden darf, da diese über das rein private Interesse hinausgehen (haben nämlich vielmehr die Funktion, das öffentliche Interesse an einer bestimmten städtebaulichen Gestaltung zu schützen). Durch ihren Verstoß ist der Nachbar daher berechtigt, die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes zu verlangen.

Folglich werden Vereinbarungen zwischen Privatpersonen zur Gewährung von Abweichungen von den städtebaulichen Abstandsregelungen als ungültig erachtet, da die Gemeindevorschriften, die Abstände zu Grenzbauten vorsehen, absoluten und unabdingbaren Charakter haben. Sie dienen nämlich nicht nur dem Schutz des städtebaulichen Gefüges eines bestimmten Gebiets und der Bebauungsdichte, sondern gewährleisten auch die Sicherheit der Gebäude.